Großputz für 1492 Orgelpfeifen Barockorgel in Erpel wird über zwei Monate geputzt

Erpel · Die rund 300 Jahre alte Barockorgel der Erpeler Pfarrkirche wird zwei Monate lang restauriert. 91.000 Euro kostet die dringend nötige Sanierung.

 Orgelbaumeister Martin Hiltmann im Innern des Instruments: Dorthin gelangt er nur mit einer Leiter.

Orgelbaumeister Martin Hiltmann im Innern des Instruments: Dorthin gelangt er nur mit einer Leiter.

Foto: Frank Homann

Für rund zwei Monate muss die katholische Kirchengemeinde von Sankt Severinus Erpel ohne ihre prachtvolle Barockorgel auskommen. Am Dienstag begannen die Experten einer Remagener Orgelbaufirma damit, die Orgelpfeifen auszubauen – es ist der erste Schritt einer aufwändigen Generalüberholung des rund 300 Jahre alten Instruments.

In der kleinen, spätromanischen Kirche in Erpel liegen am Mittag die Orgelpfeifen aufgereiht auf dem Boden: Die exakt 1492 Pfeifen müssen einzeln ausgebaut werden. Fünf Mitarbeiter sind am Dienstag mit dem Ausbau beschäftigt, der voraussichtlich noch bis Ende dieser Woche dauern wird. Auf Leitern klettern die Orgelbauer in das enge Gehäuse der Orgel, nur noch ihre Füße sind zu sehen. Vor der Empore, auf der die Orgel steht, steht ein Lastenaufzug, überall steht Werkzeug herum.

91.000 Euro kostet die Sanierung, davon steuert das Erzbistum Köln 36.000 Euro bei. Die restliche Summe stammt aus dem Etat der Kirchengemeinde. Hans Simon, geschäftsführender Vorsitzender des Kirchenvorstands, hatte 2018 ein Gutachten in Auftrag gegeben, um festzulegen, welche Teile der Orgel erneuert werden müssen. Die letzte größere Restaurierung datiert in die 1960er Jahre, eine kleinere Sanierung fand zuletzt 2010 statt. Vor allem die Technik in der Orgel bedurfte einer Generalüberholung, ergab das Gutachten. „Wenn man das nicht macht, werden auch kleinere Schäden irgendwann irreparabel“, erklärt Orgelbaumeister Martin Hiltmann. „Orgeln sind hochkomplexe Instrumente, da ist eine regelmäßige Wartung wichtig.“ Etwa alle 25 Jahre sollten Orgeln in diesem Umfang restauriert werden, „in katholischen Kirchen auch häufiger, da gibt es meistens mehr Kerzen“. Und damit auch mehr Ruß, der sich in den Orgelpfeifen ablagere.

Hiltmann und sein Team werden in ihrer Werkstatt die mechanische Spieltraktur der Erpeler Orgel austauschen: Die dünnen Aluminiumstränge, die die Tasten mit den Tonventilen verbinden, sollen durch feine Holzstreben ersetzt werden – so wurde die Orgel ursprünglich auch erbaut. In den 1960er Jahren war es jedoch „Mode“, für die Stränge Aluminium zu verwenden. Nicht die beste Lösung, wie man heute wisse: Aluminium ist temperaturempfindlich und dehnt sich bei Hitze aus, so Hiltmann. Das kann Auswirkungen auf den Klang haben. Auch die elektronische Registertraktur, die die Verbindung herstellt zwischen den Orgelschaltern und -knöpfen erhält eine neue Setzeranlage: In den Orgelspieltisch werden neue elektronische Setzer integriert, die dem Organisten so auf einfache Weise eine Vielzahl vorprogrammierter Registerwechsel erlauben. Auf Knopfdruck werden so mit der neuen Anlage mehr als tausend neue musikalische Kombinationen möglich sein. Zudem wird die gesamte Orgel gereinigt und anschließend neu gestimmt.

 Die Orgel der Pfarrkirche Sankt Severinus wird noch bis Ende dieser Woche abgebaut.

Die Orgel der Pfarrkirche Sankt Severinus wird noch bis Ende dieser Woche abgebaut.

Foto: Frank Homann

Das Besondere an der Orgel: Etwa zur Hälfte sind noch die Pfeifen verbaut, die im 18. Jahrhundert eingebaut wurden. Das barocke Prospekt, also das mit goldenen Zierelementen prunkvoll ausgestattete Gehäuse, ist ebenfalls noch vollständig erhalten. Zwischen 1704 und 1724, das verraten Stiftungsurkunden, wurde die Orgel fertiggestellt, der Erbauer des Instruments ist jedoch unbekannt. Hans Simon erzählt, es werde vermutet, der Erbauer sei möglicherweise derselbe, der das Gehäuse der kleinen Marienorgel im Kölner Dom gebaut habe, da es gewisse Ähnlichkeiten gebe. „Das sind aber nur Mutmaßungen.“

Die Besonderheit der Barockorgeln, so erklärt es Orgelbaumeister und Seniorchef Siegfried Merten, liege insbesondere in ihrem Klang: „Weniger tief und romantisch-sinfonisch als die Orgeln der Romantik, stattdessen gibt es mehr höher liegende Obertöne.“ Die Klangfarbe, so beschreibt es Merten, passe perfekt zur barocken Musik. Die modernisierte Technik und Reinigung werden dafür sorgen, dass die Klangfarbe wieder gut zur Geltung kommt. Darauf hofft auch der Kantor der Pfarrkirche, Martin Monter: Die Aluminiumtraktur der Orgel habe bei höheren Temperaturen schon öfter zu „heulenden“ Klängen geführt. „Das klingt fast ein bisschen wie ein Staubsauger“, sagt er. Während eines Gottesdiensts fiel die Orgel einmal sogar als Begleitinstrument für die Gemeinde komplett aus, weil das heulende Geräusch alles übertönte. Jetzt freut sich der Kantor auf die sanierte Orgel: „Ich bin mir sicher, das wird toll.“

Ostermontag hatte die Gemeinde ihre Orgel mit einer letzten Matinee „verabschiedet“. Im September soll dann ein großes Orgelfest gefeiert werden – zum 300. Geburtstag der Orgel, auch wenn das genaue Baujahr nicht bekannt ist. Zudem sollen bis Ende des Jahres Orgelführungen und Konzerte stattfinden – wenn Corona es zulässt. Eines der Konzerte wird der Kölner Domorganist Ulrich Brüggemann geben. Und: Die Landesmusikräte haben die Orgel zum diesjährigen „Musikinstrument des Jahres“ erklärt. Auch das wird im Herbst gefeiert.

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