Junge Fotografen in der Bundeskunsthalle Stipendiaten zeigen Bilder zum Thema Migration

Bonn · 14 junge Künstler machen sich in ihren fotografischen Arbeiten Gedanken über ein „besseres Morgen“. Die Arbeiten sind bis Ende August in der Bundeskunsthalle in Bonn zu sehen.

In der Fotoserie „When we leave“ befragt die kurdisch-deutsche Künstlerin Cihan Cakmak ihre Identität. 

In der Fotoserie „When we leave“ befragt die kurdisch-deutsche Künstlerin Cihan Cakmak ihre Identität. 

Foto: Benjamin Westhoff

Die erste Generation erlebt, die zweite leugnet und die dritte erforscht.“ Dieses Zitat von Mustafa Olpak, dem Gründer des Afrotürkischen Kulturvereins in Izmir, benennt der Künstler Carsten Kalaschnikow als Motor für seine Kunst. „Ich möchte Teil dieser Forschung sein, nicht zeigen, wer ‚die Anderen‘ sind. Ich möchte kollaborativ und inklusiv arbeiten“, sagt er. Kalaschnikow beschäftigt sich mit der wenig bekannten Geschichte der Afrotürken, die im 19. Jahrhundert als Sklaven aus Afrika in das Osmanische Reich verschleppt wurden. In der Fotoserie „The black girl looks out of the window“ erforscht er die kollektive Identität einer Gemeinschaft ohne eigene Sprache, Religion oder Tradition.

Kalaschnikows Vorgehensweise, die behutsam fragend die Dinge ohne Provokation beim Namen nennt, darf man als eigenständige künstlerische Position und Haltung verstehen. Damit ist er kein Einzelfall, wie die sehenswerte Ausstellung in der Bundeskunsthalle „Fragments from now for an unfinished future“ beweist. Die von Beate Eckstein und Annelie Pohlen sorgsam kuratierte Ausstellung mit insgesamt 14 Kunststipendiaten ist Teil des Projekts der Friedrich-Ebert-Stiftung „Für ein besseres Morgen“. Hier werden „zentrale Zukunftsfragen wie Europa, technologischer Wandel und Fortschritt, Migration und Integration, Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung, Demokratie und sozialer Zusammenhalt sowie Nachhaltigkeit“ behandelt. Dass es angesichts von solch extrem breiter Themenstreuung notwendig wird, die Welt zu fragmentieren und sie damit individuell erfahrbar zu machen, liegt auf der Hand.

Künstlerische Entscheidungen

Erst mittels der Fragmente werden wir als Betrachter und Zeugen in die Lage versetzt, an einzelnen Stellen tief in verschiedene Wirklichkeiten einzusteigen. So kann diese Art der Forschung, die nicht von wissenschaftlichen, sondern von künstlerischen Entscheidungen geleitet wird und häufig biografisch gefärbt ist, ihre volle Kraft entwickeln.

Etwa im Fall von Darío Aguirre, der der Liebe wegen aus Ecuador nach Deutschland kam und seinen langen bürokratischen Weg bis zur Einbürgerung in dem anderthalbstündigen Dokumentarfilm „Im Land meiner Kinder“ ironisch-liebevoll nachzeichnet.

Auch Vilmos Veress hat sich auf eine Reise gewagt – in seine eigene Vergangenheit. Vor drei Jahren fuhr der heute 37-Jährige in seinen Geburtsort Eberswalde, den er als kleiner Junge zusammen mit Mutter und Bruder Richtung Berlin und später München verlassen hatte. Die Scham, aus einem Ort zu stammen, der mit Fremdenfeindlichkeit gleichgesetzt wird, weicht bei Vilmos Veress in späterer Zeit dem Wunsch, „einen Schlussstrich unter diesen Teil meiner Vergangenheit zu ziehen – nicht ohne die Hoffnung, im Guten auseinanderzugehen“. Entstanden ist eine Fotoserie, die in ihrer schonungslos ausgestellten Alltagstristesse anrührt. Von ähnlicher Traurigkeit, gemischt mit Resignation, zeugt die Fotoserie „Fikirtepe“ von Öncü Hrant Gültekin. Er dokumentiert den Prozess der Gentrifizierung in einem Stadtteil von Istanbul und zeigt seine Verlierer.

Homophobe Gewalt

Soso Dumbadze aus Georgien rekonstruiert in der 5-Kanal-Videoinstallation „Ein gelber Bus“ die Eskalation und homophobe Gewalt während einer LGBTQ-Kundgebung in Tiflis 2013. Dort war eine kleine Demonstrantengruppe von mehreren Tausend Bürgern und etlichen christlich-orthodoxen Priestern attackiert worden. Die Videoeinstellungen zeigen den Steine werfenden Mob, die sie anstachelnden Priester, überforderte Polizisten und die dramatische Lage der Demonstranten, die sich in einen gelben Bus gerettet hatten und um ihr Leben fürchten mussten.

Eine andere Herangehensweise an das Thema Homophobie wählt Ksenia Kuleshova. Sie fotografierte in St. Petersburg und Moskau homosexuelle Menschen als „Ordinary People“, als ganz normale Leute. „Ich will nicht provozieren, sondern das Gespräch suchen“, sagt die Künstlerin über ihr fortlaufendes Projekt.

Bundeskunsthalle, Friedrich-Ebert-Allee 4, bis 30. August; Di und Mi 10-21, Do-So 10-19, feiertags 10-19 Uhr; Katalog.

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